Die Gesamtzahl der heute lebenden Tierarten wird von Taxonomen auf über eine Million geschätzt (Tab. 1). Manche schätzen mehrere Millionen. Die großen Unterschiede in den Schätzungen beruhen auf unterschiedlichen Artbegriffen. Das zeigt, daß die Frage nach der Abgrenzung von "Arten" in unserem Zusammenhang wesentlich ist (s. u.).
Hätte Noah 1 Million Arten mit an Bord nehmen müssen, wäre es auf der Arche sicher sehr eng geworden, aber es gab eine nicht geringe Zahl an Tieren, die als Wasserlebewesen außerhalb der Arche die Sintflut überleben konnte (Tab. 2).
Außer den in Tab. 2 aufgelisteten Arten konnten außerhalb der Arche auch einige Säugetiere (Wale, Delphine), einige Amphibien, einige Gliederfüßer (Garnelen, Krabben, einige Insekten u. a.) und viele der ca. 42.000 Wurmarten überleben. Man sollte in diesem Zusammenhang auch bedenken, daß die meisten Arten bei den Gliederfüßern vorliegen (ca. 1 Million), die in der Regel sehr klein sind und wenig Platz wegnehmen. Darüber hinaus ist aber fraglich, ob Wirbellose (zu denen die Gliederfüßer gehören) überhaupt mit in die Arche mußten. Nach dem Bericht Gen 6ff mußten die Landund Lufttiere, in denen Odem ist, in die Arche. Es bleibt offen, ob damit nur die lungenatmenden Tiere gemeint sind, nicht dagegen tracheenatmende Landtiere wie Landinsekten. Es wäre aus biologischen Gesichtspunkten sinnvoll, wenn die Wirbellosen nicht mit in die Arche kommen mußten, denn sie sind (großenteils oder vollständig?) in der Lage, durch Dauerstadien wie z. B. widerstandsfähige Eier zu überleben (etwa auf schwimmenden Vegetationsresten). Es bestand daher auch keine Notwendigkeit, sie mit in die Arche zu nehmen. Es scheint also nach dem biblischen Bericht sowie aufgrund biologischer Fakten erlaubt zu sein, die Wirbellosen (Insekten, Krebse, Spinnen, Würmer, Weichtiere usw.) bei den nachfolgenden Abschätzungen außer acht zu lassen.
Fazit: Die Höchstzahl der mitzunehmenden Wirbeltierarten, (Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien) betrug ca. 21.100 (3.700 Säugetierarten, 8.600 Vogelarten, 8.800 Reptilien und Amphibienarten). Wirbellose können außer Betracht bleiben.
Wie viele Tiere waren nun höchstens an Bord?
Wir haben schon gesehen, daß Noah von allen Landtieren 1 Paar mitnehmen sollte, von den reinen Tieren 7 Paare (das sind nur ganz wenige Arten: Nach 3. Mose 11,11ff. waren es bei den Säugetieren alle diejenigen, die Wiederkäuer und Paarhufer/zeher waren, wie z.B. das Rind oder das Schaf) und von allen Vögeln 7 Paare.
Daraus ergibt sich: Ca. 120.000 Vögel, 7.400 Säugetiere, 17.600 Reptilien und Amphibien (+ eine nicht ins Gewicht fallende Anzahl reiner Tiere). Insgesamt also ca. 145.000 Wirbeltierindividuen. Hinzu kommen acht Menschen und Nahrungsmittel für Mensch und Tier. Mit Sicherheit mußte Noah aber bedeutend weniger als 145,000 Wirbeltiere mit an Bord zu nehmen, denn die bisher erwähnten Zahlen beziehen sich auf den biologischen Artbegriff (Biospezies), Der biologische Artbegriff deckt sich kaum mit dem biblischen (hebräisch "min"). In der Schöpfungsgeschichte wird gesagt, daß die Tiere sich "nach ihrer Art" (Gen 1, 21) vermehren sollten, von den Pflanzen heißt es, sie "sollen Samen tragen nach ihrer Art" (Gen 1,11). Diese Aussagen lassen die Deutung zu, daß alle Lebewesen, die miteinander Nachkommen zeugen können, zur selben "geschaffenen Art" (wir sprechen zur terminologischen Abgrenzung von "Grundtyp") gehören, Wir wissen heute, daß es eine ganze Reihe von Arten gibt,

die durch Kreuzung direkt oder indirekt miteinander verbunden sind (z. B. Pudel und Wolf bei den Hundeartigen, Haushuhn und Königsfasan bei den Fasanenartigen). Hund und Wolf und auch alle anderen Vertreter der Hundeartigen gehören demnach nicht verschiedenen "geschaffenen Arten" an, sondern sind verschiedene "biologische Arten" ein und derselben "geschaffenen Art" (desselben Grundtyps). Demnach hatte Noah von allen Hundeartigen (Hund, Wolf, Schakal, Fuchs usw.) nur ein Paar, von allen Fasanenartigen (Königsfasan, Jagdfasan., Haushuhn, Truthuhn u. a.) nur sieben Paare und auch von allen anderen Grundtypen nur ein Paar (bzw. sieben) mit in die Arche zu nehmen, denn aufgrund der den Tieren von ihrem Schöpfer eingegebenen genetischen Möglichkeiten konnten sich die Tiere nach der Flut im Rahmen eines mikroevolutiven Prozesses (= Variation innerhalb des Grundtyps) – aber nicht grundtypüberschreitend – in die heute bekannten "biologischen Arten" aufspalten. Dieser Prozeß hat aber nichts mit Evolution im Sinne einer Höherentwicklung zu tun (Makroevolution), sondern entspricht im Prinzip der Rassenbildung (Mikroevolution)5 6.
So ist z.B. aus der Züchtung bekannt, daß in den letzten 250 Jahren 200 neue Hunderassen gezüchtet wurden, die voneinander so verschieden sind wie der Dackel vom Collie oder der Schäferhund vom Pekinesen. Das Grundtypkonzept ist ein wissenschaftlich sehr fruchtbarer Ansatz, weil man mit ihm konkrete wissenschaftliche Studien an der heute beobachtbaren Realität betreiben kann.
Da die Grundtypforschung erst am Anfang steht, ist nicht genau bekannt, wie viele Grundtypen es gibt, und nur in einigen Fällen ist untersucht worden, wie viele Biospezies zu einem Grundtyp zusammengefaßt werden können. Man kann nach bisherigen Ergebnissen aber praktisch sicher sein, daß bei den Vögeln durchschnittlich mindestens 50 Biospezies zu einem Grundtyp gehören, bei den Säugetieren mindestens 20 und bei den Reptilien und Amphibien mindestens 30. Durch die entsprechenden Faktoren muß die Zahl der nach Biospezies gerechneten Individuen geteilt werden (Tab. 3). Nach Grundtypen gerechnet ergeben sich nur ca. 3.400 Individuen, gemessen an den heute lebenden Formen. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, daß die Amphibien großenteils auch außerhalb der Arche überleben konnten.
Nun muß aber berücksichtigt werden, daß eine Reihe von Grundtypen ausgestorben ist. Diese mußten aber auch in die Arche, denn es gibt zwingende Gründe dafür, daß sie nach der Flut noch gelebt haben und erst in dieser Zeit ausgestorben sind. Rechnen wir mit doppelt so vielen ausgestorbenen Grundtypen bei Säugern und Vögeln (es sind deutlich weniger bekannt), bei Reptilien und Amphibien mit dreimal so viel, so erhalten wir 10.800 Individuen (Tab. 3, rechte Spalte), die in der Arche untergebracht werden mußten – bei hoch angesetzter Abschätzung.
Einige Angaben zur Anzahl ausgestorbener Arten: Lehmann, Paläontologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Stuttgart 1985, gibt an, daß 54% der bekannten Säugerfamilien ausgestorben seien, von den Gattungen 67% (S. 217). Das Grundtypniveau liegt nach bisherigen Erkenntnissen auf dem Familien- oder Unterfamilienniveau, bisher jedenfalls immer über dem Gattungsniveau. Nach diesen Angaben muß man also mit ca. 1 - 1,5 mal so vielen ausgestorbenen Grundtypen rechnen im Vergleich mit der Anzahl heute lebender Grundtypen. Nach der Tabelle auf S. 2 und einem angenommenen Kürzungsfaktor von 20 entspricht das etwa 300 - 400 ausgestorbenen Säugetier-Grundtypen. Für die Vögel gibt Lehmann an, daß nur etwa 1/5 bis 1/4 der insgesamt bekannten Arten ausgestorben seien (S. 41). Hier wird i. a. ins Feld geführt, daß Vögel wegen der leichten, pneumatisierten Knochen wesentlich schlechter. fossil erhalten werden konnten als andere Wirbeltiere.
A. H. Müller (Lehrbuch der Paläozoologie, Jena 1970, Band 3, Teil 3 Mammalia) rechnet mit etwa 2080 fossilen Säugergattungen (S. 2); das könnte ca. 200 - 400 Grundtypen entsprechen, (angenommener Kürzungsfaktor für Gattungen: 5) so daß wir hier etwa auf dieselbe Zahl kommen wie Lehmann. Für die Vögel gibt er an (S. 562): 639 fossil vertretene Gattungen; für die Reptilien: 1050 fossile Gattungen.
Mit diesen Angaben stimmen Tabellen und Graphiken von G. P. Larwood (Extinction and Survival in the fossil record; Clarendon Press Oxfon 3, 1988) überein (S. 271ff., S. 322). Konkrete Zahlen nennt er bei den Säugetieren: Gegenüber 130 heute lebenden Familien zählt er 180 ausgestorbene; bei den Gattungen ist das Verhältnis 1000:3000, bei den Arten 4000:8000.
Mit diesen Informationen können wir nun prüfen, ob die Arche für diese Anzahl ausgereicht hatte.
3. Paßten alle Tiere in die Arche?
Die Arche hatte bei den Maßen 135 m x 22,5 m x 13,5 m unter Berücksichtigung der drei Stockwerke eine Ladefläche von ca. 9.000 m2 und ein Ladevolumen von ca. 40.000 m3.
Ein Vergleich mit einem Eisenbahnwaggon soll verdeutlichen, welche Kapazitäten sich hinter diesen Zahlen verbergen: Die Deutsche Bahn hat für den Transport von Tieren keine besonderen Viehwaggons, sondern benutzt die üblichen Güterwagen. Ein Güterwagen der Deutschen Bahn in Regelbauart (hier der Typ Gbs (-uv) 254) hat folgende Maße: Ladelänge: 12,7 m, Ladebreite: 2,6 m und Ladehöhe: 2,25 m.4 Daraus ergibt sich für die Ladefläche eines Waggons 33 m2 und für das Ladevolumen ca. 74 m3.
Die Kapazität der Arche entsprach also einer Ladefläche von ca. 280 Güterwagen und einem Ladevolumen von ca. 550 Güterwagen. Nach der Güterbeförderungsvorschrift der Deutschen Bahn vom 1.3. 1985 müssen in einem wie oben erwähnten Güterwagen pro Schaf (ungeschoren) 0,26 m2 Bodenfläche zur Verfügung stehen. Diese Vorschrift ist mit Auflagen der Tierschutzverbände zustande gekommen und stellt zur Bedingung, daß ein Schaf die Möglichkeit haben muß, sich hinzulegen. Für die Stückzahl der mitzunehmenden Schafe pro Waggon lautet die Vorschrift: 121 ungeschorene Schafe, 138 geschorene Schafe. Da die Ladefläche der Arche 276 Güterwagen entsprach, würde die Vorschrift der DB bedeuten, daß unter Zugrundelegung der Ladefläche über 33.000 Tiere von der Größe eines ungeschorenen Schafes auf der Arche Platz gefunden hätten.
Der Platzbedarf der mitzunehmenden Tiere ist sicher sehr großzügig angesetzt, wenn einem Säugetier durchschnittlich (1,5 m)3, einem Vogel (0,5 m)3 und einem Reptil bzw. Amphib 1 m3 eingeräumt werden. Denn beispielsweise sind nur ungefähr 290 Arten von Landsäugetieren größer als Schafe, weit über 1.300 dagegen kleiner als eine Ratte. Aufgrund der Zahlen aus Tab. 3 und diesen durchschnittlichen Zahlen für den Platzbedarf ergibt sich für den insgesamt benötigten Platz für die in der Arche mitzunehmenden Tiere ca. 7.500 m3 (Tab. 4). Das sind weniger als 20% des Rauminhaltes der Arche.

Die Zugrundelegung des Rauminhaltes ist angebracht, weil Noah nach dem biblischen Bericht Zwischenfächer einzubauen hatte, was eine enorme Erweiterung der Kapazität mit sich bringt. Man kann sich auch denken, daß Käfige für Vögel und kleinere Tiere übereinander gestapelt wurden. Angesichts dieser Berechnungen ergibt sich die groteske Frage, ob die Arche nicht zu klein, sondern eher zu groß war, aber man muß bedenken, daß Noah und seine Familie über ein Jahr in der Arche bleiben mußten und so gesehen die Arche auch gleichzeitig Lebensraum für Tier und Mensch war, und da brauchte man schon etwas mehr Raum als nur einen Platz zum Hinlegen.
Weitere Aspekte
Auch wenn das Raumproblem mit vorliegenden Berechnungen gelöst sein dürfte, sollen noch einige Gesichtspunkte erwähnt werden:
Da wir nicht die genauen Maße der für den Bau zugrunde gelegten Elle kennen, besteht immerhin die Möglichkeit, daß die angenommenen Werte noch zu gering angesetzt sind und die Arche demnach noch größere Dimensionen hatte. (Wir haben das kleinste bekannte Maß zugrundegelegt.)
Große Tiere konnten als Jungtiere mitgenommen werden (Saurier, Elefanten, Giraffen, Nashorn, usw.). Dadurch konnte Noah zusätzlich Raum gewinnen. Saurier wachsen wie alle Echsen lebenslang (anders als die Säugetiere, die bald ausgewachsen sind). Jüngere Tiere waren somit relativ klein und konnten in der Arche mitgenommen werden.
Zur Lösung des Futterproblems schlagen Whitcomb und Morris9 vor, daß die Tiere einen großen Teil der Zeit mit Winter bzw. Sommerschlaf zugebracht hatten, so daß Noah mit einer weitaus geringeren Menge an Futter auszukommen brauchte als der, die er für eine tägliche Fütterung benötigt hätte. Man kann annehmen, daß die potentielle Fähigkeit zum Winterschlaf schöpfungsmäßig mitgegeben war. Auch heute sind die Winterschläfer nur potentielle Schläfer, d.h., äußere Bedingungen müssen den Beginn des Winterschlafs auslösen. Möglicherweise könnten heute noch viele Tiere einen Winterschlaf halten, die das nie tun, weil es klimatisch nicht erforderlich ist. Diese vielleicht früher allgemein verbreitete Fähigkeit könnte dann im Laufe der nachflutlichen Geschichte bei vielen Tierarten verlorengegangen sein.
In dieser kurzen Abhandlung konnten nur einige Fragen angeschnitten werden, die sich ergeben, wenn man dem biblischen Sintflutbericht historische Realität beimißt. Die hier dargelegten Überlegungen zeigen, daß die historische Glaubwürdigkeit der Geschichte von der Arche Noah aus der Frühzeit der Menschheit nicht durch Unterbringungsprobleme zu erschüttern ist. Es gibt keinen Grund, die Zuverlässigkeit der Bibel mit dem Hinweis auf die Sintflutgeschichte in Frage zu stellen.
Literatur
1.) H. Bräumer: Das erste Buch Mose. Wuppertaler Studienbibel Brockhaus, Wuppertal, 1983.
2.) R. Flindt: Biologie in Zahlen. Stuttgart, 1986.
3.) W. J. J. Glashouwer: So entstand die Welt. Neuhausen, 1980.
4.) "Güterwagen". Prospekt der Deutschen Bundesbahn.
5.) R. Junker: Evolution ohne Grenzen? Fakten zur Entstehung der Arten. Neuhausen, 2. Aufl. 1994.
6.) R. Junker & S. Scherer: Entstehung und Geschichte der Lebewesen. Gießen, 3. Auflage 1992.
7.) F. Rienecker: Lexikon zur Bibel. Brockhaus, Wuppertal, 1960.
8.) J. Scheven: Karbonstudien. Neuhausen-Stuttgart, 1986.
9.) J. C. Whitcomb & H. M. Morris: Die Sintflut. Neuhausen, 1977. (Viele biblische Fragen werden ausführlich erörtert.)